Terren - Schweizer in Goodwood
Terren Electric Drive Systems will die Elektrifizierung von Nutzfahrzeugen ermöglichen. Der erste Prototyp des Schweizer Unternehmens hat nun von der MFK die Strassenzulassung erhalten und weckt offenbar nicht nur in der Schweiz Interesse.
Terren Electric Drive Systems hat sich zum Ziel gesetzt, die erste Elektro-Plattform für Nutzfahrzeuge zu bauen. Damit will das Schweizer Startup Herstellern von herkömmlichen Nutzfahrzeugen den Schritt zur Elektrifizierung erleichtern. Einen wichtigen Schritt haben die drei Gründer kürzlich mit der MFK-Zulassung ihres Prototypen auf Aebi-Basis gemeistert. Nun stehen ein Hillclimb beim diesjährigen Goodwood Festival of Speed und ein Höhen-Weltrekordversuch für Fahrzeuge in Chile an. Auf dem Ojos del Salado soll im Herbst der bestehende Rekord von 6893 M.ü.M. geknackt werden. Im Interview mit der auto-illustrierte spricht Mitgründer Patrik Koller über Pläne, Herausforderungen und Zukunftsaussichten des Projekts.
auto-illustrierte: Wie seid ihr auf die Idee einer Elektroplattform für Nutzfahrzeuge gekommen?
Patrik Koller: Die Idee kam schon 2018 auf. Wir waren der Meinung, ein Elektroantrieb macht gerade für Gemeindefahrzeuge Sinn. Mit diesen Fahrzeugen ist man meist in bewohnten Gebieten und im Stop-and-Go-Betrieb unterwegs. Bei E-Fahrzeugen fallen im Betrieb dann schon mal die Lärm- und Abgasemissionen weg. Selbst haben wir mit der Branche nicht viele Berührungspunkte und waren noch nicht vernetzt. David und ich sind aus der Baubranche, mein Bruder ist Maschinenbauingenieur.
Um für Aufmerksamkeit zu sorgen, haben wir also einen anderen Ansatz gewählt und sind auf den Höhen-Weltrekordversuch in Chile gekommen. Der wird sonst immer von Verbrennern in Angriff genommen, und da wollen wir die Fähigkeit unseres selbst entwickelten Elektro-Konzepts zeigen. So haben wir Interesse bei Sponsoren geweckt, mithilfe derer wir bisher den grössten Teil des Projektes finanzieren konnten. Dazu kommen Crowdfunding und unsere eigenen Mittel, unsere Zeit noch nicht miteingerechnet.
ai: Was genau wird euer Angebot sein?
PK: Ursprünglich haben wir geplant, bestehende Fahrzeuge der Firma Aebi auf E-Antrieb umzurüsten, aber das hat sich als zu kompliziert herausgestellt. Wir haben herausgefunden, dass es in vielen Bereichen dieses kleinen Marktes Interesse an E-Fahrzeugen gibt, aber die bestehenden Hersteller nicht das Know How oder die Zeit für die Entwicklung haben. Zum Beispiel im Bereich des Untertagebaus sehen wir grosse Chancen, weil man mit E-Antrieben weder Emissionen noch Wärme abführen muss. Kurz: Wir wollen eine Plattform mit Fahrwerk, Antrieb und Hydraulik liefern. Die kann der Kunde dann skalieren und sein Wunschfahrzeug darauf aufbauen. Uns schweben auch verschiedene Gewichtsklassen vor. Wir haben nun das Know How, die Partner und durch Peak Evolution eine riesige Reichweite und eine top Marketingplattform, um unsere Marke Terren Electric Drive voranzutreiben.
ai: Wie seid ihr bei der Entwicklung des Prototypen vorgegangen?
PK: Als Basis dient uns ein Fahrzeug der Schweizer Firma Aebi. Am Anfang haben wir uns das Ganze einfach vorgestellt: Man braucht ein paar Motoren, Kabel und Batterien. Aber es ist dann schnell sehr komplex geworden, vor allem der Antrieb über mehrere Motoren, Getriebe und Verteiler. Die Anforderungen sind enorm, man braucht zum Beispiel ein riesiges Drehmoment, weil das Gesamtgewicht schnell zehn Tonnen und mehr erreichen kann und man auch an steilen Hängen anfahren können muss.
Die Motoren sind Serienprodukte, aber die ganze Adaption mit Getriebe und Software war enorm aufwändig. Dann folgen die ganzen Nebenaggregate wie die Seilwinde, die Kabine musste angepasst werden, und so weiter. Bis zum effektiven Konzept hat es entsprechend lange gedauert. Wenn wir von Anfang an gewusst hätten, was alles auf uns zukommt, wären wir vermutlich abgesprungen (lacht). Wirklich eskaliert ist es aber erst bei der Zulassung.
ai: Was waren die Schwierigkeiten?
PK: Die Abnahme hat sich immer wieder verzögert, weil ständig neue Anforderungen kamen. Scheinbar aus dem Nichts. Zum Beispiel musste die Leistung der Motoren mechanisch gemessen werden, weil man uns nicht geglaubt hat, dass das mittels Software in ein paar Mausklicks regelbar ist. Allein die Zulassung hat uns am Ende etwa 20'000 Franken und ein Jahr Zeit gekostet. Es ist schwierig, als Startup in der Schweiz ein derartiges Projekt auf den Markt zu bringen.
ai: Was würdet ihr euch von Bund und Behörden wünschen im Hinblick auf die Förderung von Mobilitätsprojekten?
PK: Bei den Prüfbehörden müsste es ein Grundlagendokument geben, was bei Umrüstungen wie geprüft wird. Dann müsste der ganze Prozess für Prototypen schneller und reibungsloser ablaufen.
ai: Von der Entwicklung bis zum Verkauf der ersten Plattformen: Wie sieht da euer Zeithorizont aus?
PK: Es wird vermutlich etwa 2026 dauern, bis die ersten Fahrzeuge gebaut werden können.
ai: Nun dürft ihr den Terren-Prototypen am Goodwood Festival of Speed 2023 präsentieren und am Hillclimb teilnehmen. Wie bereitet ihr euch vor und was erhofft ihr euch vom Event?
PK: Als erstes haben wir dem Antrieb eine andere Software aufgespielt, dass das Fahrzeug schneller als 40 km/h läuft (lacht). Die mussten wir testen und darüber hinaus natürlich den ganzen Transport organisieren. Am Ende erhoffen wir uns den Ausbau unseres Netzwerkes.
ai: Die Feuertaufe für den Terren Prototypen wird dann im Herbst stattfinden: Der Höhen-Weltrekordversuch für Fahrzeuge in Chile.
PK: Da wird noch möglichst viel getestet, bevor das Fahrzeug im September verschifft werden wird, um Defekte während der Expedition möglichst zu vermeiden. Wir starten zwar in einer eigenen Klasse, aber das Ziel ist, den Gesamtrekord von 6893 M.ü.M. zu knacken. Das wird technisch, aber auch für uns eine Herausforderung. Letztes Jahr war zum Beispiel Porsche vor Ort und trat mit einem modifizierten 911 an, der Rekordversuch hat also einen echt grossen Namen bekommen. Der Versuch soll uns einerseits ein Standing bei den Investoren bringen, andererseits aber auch andere Menschen inspirieren.
ai: Inwiefern?
PK: Um zu zeigen, dass Durchhaltewillen sich lohnt. Wir sind wir drei Jungs, die ohne grosses Vorwissen dieses Projekt auf die Beine gestellt haben. Wir mussten uns die Unterstützung durch Sponsoren und das Crowdfunding über Jahre erarbeiten und diverse Technische Hürden überwinden. Am Anfang bekommt man einiges auf die Mütze. Da muss man durchhalten und positiv nach vorne schauen.
ai: Wir drücken euch die Daumen für die anstehenden Events und eure weiteren Schritte die Daumen! Vielen Dank für das Interview!
Text & Interview: Moritz Doka
Bilder: Terren Electric Drive Systems