Test

Kia Sportage - Fazit nach 50'000 km Test

Der Kia Sportage ist am Ziel. 50'000 Kilometer in einem Jahr sind eine echte Herausforderung an das Material. Technisch und qualitativ voll auf der Höhe absolvierte der Koreaner den Marathon und leistete sich dabei nur kleine Schwächen.

Veröffentlicht am 29.07.2023

Premiere im Dauertestwagenfuhrpark der auto-illustrierte. Erstmals stellte sich mit dem Kia Sportage ein Koreaner dem Langstreckenmarathon. 50'000 Kilometer in einem Jahr, mit all den Messungen, die er über sich ergehen lassen muss, sind kein Pappenstiel. Und der Sportage hat eine grosse Bürde zu tragen. Schliesslich wurde die fünfte Sportage-Generation seitens des Herstellers so angekündigt, dass sie neue Massstäbe auch unter den europäischen SUVs setzen sollte.

Flott unterwegs

Und wir wurden nicht enttäuscht. Das SUV war von Beginn an bei der Musik. Bereits bei den Eingangsmessungen nach etwa 6000 Kilometern präsentierte sich der rund 1,8 Tonnen wiegende Fünftürer von seiner dynamischen Seite. Der Verbund aus dem 1,6-Liter-Verbrenner und 60-PS-Elektromotor wuchtete den Koreaner in 7,9 Sekunden auf Tempo 100 und toppte damit die Sprintvorgabe von 8,3 Sekunden um vier Zehntel – wohlgemerkt im Sport-Modus und mit ausgeschalteter Traktionskon-trolle. Und das, obwohl das Prüfprotokoll auf dem Novidem-Motorenprüfstand bei gleicher Leistung nur ein Plus von gerade mal sieben Nm Drehmoment statt der werkseitigen 350 Nm ausspuckte.


Der Hybrid-Antrieb war voll im Soll in Sachen Leistung und Drehmoment. Die Beschleunigungsangaben des Werks unterbot unser Testwagen dennoch.

 

Sportlicher Segler

Doch damit nicht genug. Seine Sprinterqualitäten unterstrich der Sportage abermals in der Ausgangsmessung nach 48'500 Kilometern. Gleichzeitig packte das Elektro-/Verbrenner-Duo im Laufe des Marathons noch einmal ein paar Nm obendrauf. Nach zuvor gemessenen 225,1 PS und jetzt 362 Nm markierte er mit 7,6 Sekunden auf 100 km/h eine neue persönliche Bestzeit. Das sind gegenüber der Werksvorgabe dann schon Welten. Erst recht, dass er diese Leistungen ohne grosse Anstrengungen, als ob es nichts Besonderes wäre, erbrachte. Der sanft schaltende und gut abgestufte Sechsgang-Automat erwacht spätestens im Sport-Modus zum Leben und dankt es einem mit zackigen, teils sogar etwas ruppigen Schaltvorgängen. Die turbo-typische Anfahrschwäche kann man dagegen getrost vernachlässigen, da sie kaum ins Gewicht fällt beziehungsweise gut vom Elektromotor kaschiert wird.


Die Witterungsverhältnisse waren dem Sportage nahezu egal, er kam überall durch.

Klar, dass sich die Sprintorgien natürlich negativ auf den Verbrauch auswirkten. Wird der Koreaner rangenommen, quittiert er das mit einem mächtigen Durst von über zehn Litern. Rund 3600 Liter genehmigte er sich während des Dauerlaufs, woraus ein Mix von 7,5 l/100 km resultiert. Doch sein Metier liegt vielmehr in einer ruhigen Gangart. Und dabei kann er geizig wie ein Schotte sein – ohne sich dabei gross anstrengen zu müssen.

Das Zusammenspiel zwischen Verbrenner und E-Motor ist ganz auf Effizienz ausgelegt und lässt den 48-Volt-Mildhybrid wann immer möglich im Verkehr segeln. Dann hält sich der Vierzylinder vornehm zurück und lässt den Allradler vor sich hin stromern. Mit nur 4,7/4,6 l/100 km (Eingangs-/Ausgangstest) absolvierte der Sportage die auf Sparsamkeit ausgelegte und 93 Kilometer lange ai-Runde. Und das zum grossen Teil elektrisch.

Ferngesteuert

Beim ruhigen Galopp bekommt er Unterstützung vom adaptiven Unterbau. Heisst einwandfreier Geradeauslauf und ruhiges Abrollen. Einzig ab Tempo 100 muss man dem Pfeifen der grossen und frei stehenden Rückspiegel lauschen. Auch waren Einträge wie leichte, konzeptbedingte Wankbewegungen und Seitenneigungen des Aufbaus bei sportlicher Fahrweise im Dauertestwagentagebuch zu finden. Die sind jedoch harmlos und stellen einen vor keinerlei Probleme. Das gilt ebenfalls für das Handling. Denn sollte es in Parklücken einmal eng werden, übernimmt der ferngesteuerte Parkassistent das Ein- und Ausparken, während der Fahrer von aussen mithilfe der Fernbedienung den Sportage dirigiert.

Reifen bringen Ruhe

Selbst auf rutschigem Untergrund bewahrte der Sportage dank des Snow-Modus stets seine Haltung. Dabei gestaltet sich der Wechsel in einen der drei Fahrmodi (Snow, Mud, Sand) als sehr unkompliziert. Also Terrain-Knopf gedrückt und per Dreh am Schalter den entsprechenden Modus aktiviert, fertig. So war das SUV selbst im Tiefschnee nicht aus der Ruhe zu bringen. Einzig die beim Wintercheck aufgezogenen Falken-Eurowinter-Pneus wollten so gar nicht zum Koreaner passen. Die grobstolligeren Reifen zeichneten sich durch ein ab Tempo 80 einsetzendes Pfeifen aus. Gut erhörte man unsere Kritik und wechselte beim 30'000-km-Service auf den wesentlich ruhiger laufenden Conti WinterContact. Von da an kehrte wieder Ruhe im Interieur ein.

Clevere Bedien-Lösung im Cockpit

Und sollte es dennoch einmal prekär werden, war es gut, standfeste Bremsen sowie eine Vielzahl von Assistenzsystemen bei sich zu wissen. Genau die zählen bei der GT Line zum ohnehin schon umfangreichen Serienpaket. Selbst in Sachen Komfort und Ergonomie gibt es nichts auszusetzen. Es ist den Koreanern im Cockpit geglückt, einen gesunden Mix aus Digitalisierung und analoger Bedienung zu schaffen.


Der kleine Bildschirm unterhalb des Infotainments zeigt wahlweise die Radio- oder die Klimabedienung an.

Zwei riesige gekrümmte und dem Fahrer zugewandte 12,3-Zoll-Touchscreens beherbergen auf der einen Seite die Rundinstrumente und auf der anderen die Infotainmentsysteme. Navi, Radio und die fahrzeugspezifischen Einstellungen sind schnell zu finden. Klasse ist die Lösung des sogenannten Multi-Mode-Touch-Bedienfelds, das auf Knopfdruck seine Bedienelemente verändert. Jetzt fehlt einem eigentlich nur noch ein Head-up-Display zum Glück, das es jedoch auch optional nicht gibt. Platz wäre jedenfalls genug vorhanden.

Hohe Ladekante, viel Platz dahinter

Das kann man auch vom Kofferraum behaupten. Zwar ist seine Ladekante mit 72 Zentimetern etwas hoch geraten, doch stellt er mit 587 bis 1776 Litern ein stattliches Stauvolumen bereit. Bei den Dauertesteinträgen wurden vor allem die dreigeteilten Fondlehnen mit Durchreiche sowie die bequem vom Kofferraum entriegelbaren Rücklehnen positiv hervorgehoben. Selbst die Hinterbänkler genossen die Vorzüge in Form von viel Bein- und Kopffreiheit. Das Schöne: Selbst nach 50'000 Kilometern auf dem Buckel – oder besser unter dem Allerwertesten – zeigten weder die Vorder- noch die Rücksitze irgendwelche Verschleisserscheinungen.

Nichts klappert

Apropos Verschleiss. Nichts, aber rein gar nichts klapperte irgendwo in der Gegend herum. Selbst zum Testende herrschte, bis auf das erwähnte Pfeifen der Rückspiegel, Ruhe in der Hütte. Für Unterhaltung sorgten vor allem die Anzeigen im Drehzahlmesser. Fuhren wir angeblich in einer Baustelle in die verkehrte Richtung, wurden wir aufgefordert, umzudrehen. Von der Verkehrszeichenerkennung darf man ebenfalls mehr Genauigkeit erwarten. Umso überraschter waren wir, dass es während der gesamten Testdauer kein einziges Update – die aktuelle Software stammt von 2021 – gab, das diesem Mangel den Garaus macht.


Die Dienstfahrten mit dem Sportage führten auch mal weiter weg. Hier nach Italien zur Rennstrecke von Mugello.

In Sachen Reparaturanfälligkeit gibt es nichts zu bemängeln. So stand ein einziger unplanmässiger Werkstattaufenthalt im Fahrtenbuch. Und dabei handelte es sich um ein Problem, das selbst bei Kia noch nicht bekannt war. Wie sich im Nachhinein herausstellte, legte ein Kurzschluss eine der zwei Lüftungsklappen hinter dem Kühlergrill lahm. Brav zeigte der Koreaner hierzu an, dass man die Lüftungseinlässe kontrollieren solle.

Service und Plattfuss

Kosten der Reparatur? Null Franken. Das deckt die siebenjährige Garantie ab. Somit blieben also nur die drei Serviceintervalle und die turnusmässigen Besuche zu den Reifenwechseln, in denen die Werkstatt ihren Schützling zu Gesicht bekam. Selbst der Plattfuss, der ihn bei Kilometerstand 12'286 ereilte – eine Schraube hatte sich in die Lauffläche gebohrt –, stellte uns vor keinerle i Probleme. Flugs den Pannendienst herbeigerufen und binnen einer Stunde war der Pneu geflickt. So hat der Sportage seine Pflicht und Schuldigkeit par excellence erledigt und muss sich nicht vor den alteingesessenen Premiummodellen verstecken. Ganz im Gegenteil. Er hat in einigen Belangen bereits die Nase vorn.

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Fazit von Jörg Petersen, Leiter Test & Technik auto-illustrierte
Der Kia Sportage hat sein Soll erfüllt und das Pensum heruntergespult – ohne zu zicken und zu murren. Preislich und auch punkto Ausstattung kann er der Konkurrenz allemal die Stirn bieten – auch noch nach 50'000 Kilometern.

Test-Bewertung

  • Design: 3/5
  • Komfort: 4/5
  • Nutzwert: 4/5
  • Antrieb: 2/5
  • Effizienz: 3/5
  • Preis: 4/5

Pro/Contra

Karosserie

+ Sportlich-elegantes Outfit, umfangreiche Serienausstattung, gute Verarbeitung, grosszügiges Platzangebot vorn und hinten, intuitiv zu bedienendes Cockpit, variabler Kofferraum, hohe Zuladung.

– Windgeräusche durch grosse Rückspiegel, teils ablenkende Menüführung, fehlendes Head-up-Display, hohe Ladekante, kleines Wischerfeld am Heck.

Fahrdynamik

+ Komfortabel abgestimmtes Fahrwerk, gutmütiges Fahrverhalten, gut dosierbare Bremsen, präzise Lenkung, tadelloser Geradeauslauf.

– Lenkung darf mehr Rückmeldung geben, teils träges Handling, leichtes Poltern beim Überfahren kurz aufeinanderfolgender Unebenheiten.

Antrieb

+ Laufruhiger und effizient ar-beitender Zweiliter-Benziner, durchzugsstark, gute Getriebeabstufung.

– Etwas schläfrig ansprechender Automat, teils etwas ruppiges Ansprechverhalten, leichte Anfahrschwäche.

Sicherheit

+ Fast alle Sicherheitssysteme serienmässig, hohe Zuverlässigkeit der Assistenten, Lichttechnik.

Umwelt

+ Akzeptabler Verbrauch, sehr niedriger Verbrauch auf der ai-Runde, effizient arbeitender Hybridantrieb, konsequente Segelfunktion.

– Recht optimistischer Werksmix.

Technische Daten Kia Sportage HEV

Motor und Antrieb: R4-Turbobenziner, 1598 cm3, Bohrung x Hub 75,6 x 89,0 mm, Zahnriemen, 132 kW/180 PS bei 5500/min, 265 Nm bei 1500–4500/min, E-Motor 44 kW/60 PS, Li-Batterie 1,49 kWh, Systemleistung 230 PS, Systemdrehmoment 350 Nm, 6-Gang-Automatik, Allradantrieb.

Fahrleistungen: Leistungsgewicht 7,9 kg/PS, Spitze 193 km/h (Werk).

Fahrwerk: Adaptives Fahrwerk (ECS), vorn McPherson-Federbeine, hinten Mehrlenkerachse mit Gasdruckdämpfern, Stabi, vier Scheibenbremsen, belüftet, ESC, ABS, EBD, elektrische Servolenkung, Bereifung 235/55 R18, Bodenfreiheit: 170 mm, Rampenwinkel: 16,7 Grad, Böschungswinkel (v./h.): 17,0/16,4 Grad, Wendekreis 11,9 m.

Masse und Gewichte: Leergewicht 1823 kg, Zuladung 422 kg, Dachlast 100 kg, Anhängelast gebr./ungebr. 1650/750 kg, Kofferraum 587–1776 l, Tank 52 l.

Preis  2023: 52'750 Franken
Preis Testwagen (2022): 54'289 Franken

Text: Jörg Petersen
Fotos: auto-illustrierte

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