

Fährt er schon?
Das Leben als Autojournalist ist nicht einfach. Fast im Wochentakt wechselt man das Fahrzeug. Heute ein Porsche 911 Turbo, morgen ein Microlino Spiaggina. Das mag spassig klingen, ist aber auch furchtbar anstrengend.
Kaum hat man sich an ein Auto gewöhnt, gibt man es schon wieder ab. Hatte der Porsche den Startknopf noch links, braucht es im Elektro-Microlino einen grossen Schlüssel, den man rechts unter dem Lenkrad drehen muss. Jedes Mal die Frage: Wo ist das Licht, der Blinker, der Scheibenwischer, der Ganghebel? Was logisch ist, scheint den Interieurdesignern oft zu langweilig. Während sich die Fahrertür im Porsche intuitiv öffnen lässt, muss man beim Microlino einen kleinen, versteckten Knopf an der Seite drücken, damit sich die ganze Front öffnet. Vorsicht, Soft Close! Dagegen muss man bei der G-Klasse die Tür fester zuschlagen als ein wütender Teenager seine Zimmertür.
Und manchmal schafft man es nicht einmal einzusteigen: Beim Zeekr X war ich gezwungen, ein YouTube-Tutorial anzuschauen, um herauszufinden, wie man die Türen des neuen E-SUVs öffnet. Es hat zwar Türgriffe, aber die sind nur Zierde. In der Hand hält man auch keinen Schlüssel, sondern einen briefmarkengrossen Chip, geheimnisvoll unbeschriftet. Wie sich herausstellte, muss man zum Öffnen der Türen einen versteckten Knopf in der B-Säule drücken. Ich fühlte mich ein bisschen wie Lara Croft, als sich die Türen tatsächlich automatisch zu öffnen begannen. Hätte ich das Tutorial fertig geguckt, wäre ich gewarnt worden, dass man einen Schritt zurücktreten soll, damit sich die Tür ganz öffnet. Stattdessen bin ich wie ein Idiot gegen die halb offene Tür geknallt. Sitzt man endlich drin, sollte man wieder einen Knopf drücken, damit sie schliesst. Ich dagegen zerrte an der Tür wie ein Muni. Dabei geht sie automatisch zu, ganz easy, federleicht. Ich kam mir so blöd vor wie ein Neandertaler, der nicht weiss, wie man mit einem Faustkeil umgeht.
Der Fahrersitz fuhr beim Einstieg so weit zurück, dass ich mich fast hinlegen musste, um die Bremse zu betätigen und das Auto starten zu können. Nichts gegen den Zeekr – wirklich ein tolles Auto. Aber bis ich mich zurechtgefunden und alles konfiguriert hatte, war es schon wieder Zeit, es abzugeben. Es ist wie mit der Fernbedienung für TV oder Klimaanlage in einem Hotel: Man versteht sie erst, wenn man gerade abreisen muss.
Die Umstellung von Elektro auf Benzin oder von Sportwagen auf Kleinwagen macht mir keine Probleme. Schon nach wenigen Metern weiss man, woher der Wind weht – ob er einem beim Fahren entgegenbläst oder man besser im Windschatten bleibt.
Was wirklich mühsam ist, sind die immer verrückteren Cockpit-Layout-Ideen der Designer. Weil sich jeder vom anderen abheben will, ist keines wie das andere. Sogar innerhalb derselben Marke variieren sie. Während Audi-Modelle normalerweise den Gangwahlschalter rechts in der Mittelkonsole haben, hat der neue Q3 einen Gangwahldrehhebel rechts hinterm Lenkrad. Wie Mercedes-Benz. Oder Renault. Dort, wo die meisten anderen Marken Scheibenwischerhebel haben. So kann es vorkommen, dass man bei Regen den Gang rauskickt, statt den Scheibenwischer einzuschalten.
Bei manchen Elektroautos gibt es nun auch keinen offiziellen Startknopf mehr. Einfach Bremse drücken und schon läuft das Ding. Weil es keine Startgeräusche gibt, fragt man sich jedes Mal: Läuft er schon? Oder gibt es irgendwo doch noch einen Knopf, den man drücken, ziehen, drehen – oder betanzen soll? Doch wir kämpfen uns durch diesen Dschungel – jeden Tag für Sie, geschätzte Leserinnen und Leser.
Text: Jürg Zentner

