Test auf dem Lausitzring

VW Golf 8 GTI Clubsport vs. Golf R

Allrad ist Pflicht. Könnte man meinen, wenn man sich die Zulassungszahlen in der Schweiz anschaut. Der Marktanteil von Allradlern liegt dieses Jahr bei 52 Prozent. Kann Frontantrieb keinen Sport? Oder ist der Allradantrieb auch auf der Rennstrecke die bessere Wahl? Diese Fragen wollen wir klären und selbst erfahren.

Veröffentlicht am 23.10.2024

Das perfekte Fahrzeug für einen Vergleich der verschiedenen Antriebskonzepte ist der VW Golf. Der Alleskönner, das Fahrschulauto, das jeder kennt und fährt – vom Fan bis zur Grosi. In der aktualisierten Version der achten Generation stehen sich der VW Golf GTI Clubsport mit Frontantrieb (221 kW/300 PS) und der VW Golf R mit Allrad (245 kW/333 PS) gegenüber.

Der Leistungsunterschied von rund zehn Prozent zwischen den beiden Modellen können wir vernachlässigen. Fehlen nur noch gleiche Bedingungen, um beide Konzepte zu testen: eine Rennstrecke. Diese Möglichkeit bot sich uns im Testzentrum für Forschung und Entwicklung auf dem Lausitzring bei Berlin.

Äpfel mit Äpfel vergleichen

Los geht's mit dem VW Golf 8 GTI Clubsport. Nach der Start-Ziel-Geraden bremsen wir in die erste Kurve und nehmen mit ordentlich Tempo die Schikane. Beeindruckend, wie präzise man den GTI am Schaumstoffwürfel vorbeifliegen lassen kann. In der zweiten Kurve geht es voll über den Curb, kurz anbremsen und die Bremse bis zum Scheitelpunkt von Kurve drei mitziehen.

Die Lenkung bleibt auch unter Verzögerung präzise. Wir sind etwas zu schnell und nach dem Öffnen der Bremse verspüren wir leichtes Drängen nach aussen, was jedoch nicht als echtes Untersteuern durchgeht. Sanft ans Gas und mit Schwung durch die enge Passage. Das Heck folgt den Lenkrad-Befehlen willig und ohne Nervosität.

Schnelle Richtungswechsel liegen dem Clubsport

Besonders die schnellen Richtungswechsel von Kurve vier zu fünf meistert der Clubsport mit Bravour. Im Scheitelpunkt drücken wir das Gaspedal für die kurze Gerade wieder durch, ziehen eng an der Pylone vorbei und nutzen den ganzen Platz bis nah an die Mauer. Was am feuchten Morgen noch zu ESP-Eingriffen führte, ist am trockenen Nachmittag kein Problem mehr. Beim Anbremsen zur Kurve sechs bleibt der Clubsport auch bei höherem Tempo stabil, selbst mit leicht eingeschlagenem Lenkrad.

Möglichst viel Tempo mitnehmen

Die breite Strecke erlaubt viele Linien. So können wir mit etwas Geschwindigkeitsüberschuss den Scheitelpunkt anvisieren und hinterschneiden die Kurve leicht. Kurve sieben ist eine langgezogene 180-Grad-Kurve, gefolgt von einer langen Geraden. Hier geht es darum, möglichst viel Tempo mitzunehmen – also mit dem Fahrzeug lange an der Kurvenaussenseite zu bleiben und entlang der Haftgrenze der Vorderräder stetig Geschwindigkeit aufzubauen. Weich ans Gas und auf dem Curb austreiben lassen. Diese Unruhe bringt das Fahrzeug nicht aus seiner Stabilität.

Kurzer Wackler am Heck

Der kurze Wackler am Hecks braucht keinerlei Korrekturen. Kleine Verschnaufpause auf der Geraden, wir lockern uns etwas den steifen Hals und nehmen den letzten Teil der Strecke in Angriff. Der Clubsport zieht gut an und die Schaltvorgänge ploppen herrlich raus. Die Gerade endet in einer harten Bremsung nahe am Curb. Noch etwas feucht vom Vormittag, bleiben wir diesen in der Verzögerungsphase vor Kurve acht besser fern. Einlenken, Bremse lösen, leicht hinterschneidend rein zirkeln und wieder mit einem Crescendo an Gas.

Anschliessend holen wir bis zur Fahrbahnmitte aus und nehmen Kurve neun voll auf dem Curb. Kurzes Wanken, kurzes Tänzeln, doch das Fahrzeug bleibt unter Zug kontrollierbar stabil. Abermals harte Bremsung in Kurve zehn, besser eng als weit, da man so im kurzen Abschnitt zur nächsten Kurve Weg spart und das Fahrzeug ideal für Kurve elf hingestellt werden kann. Da sich diese Kurve in einer Steigung befindet, muss sie nicht bis exakt auf Eingangsgeschwindigkeit verzögert werden, sondern es reicht, einen kurzen Moment rollen zu lassen und lieber wieder früh am Gas zu sein. Zur Not lieber den weiteren Bogen fahren und dafür mit maximalem Schwung auf die letzte lange Kurve bis zur Zielgeraden. 

Fazit Clubsport: 

Ruhige Hände, geschmeidige Linien, klare Lenk- und Gas-Befehlsannahme. Der GTI Clubsport zeigt sich überraschend agil. Das nicht angetriebene Heck tänzelt gerne mit. Die Traktion in Kurven macht dank der feinen Quersperre einfach Spass.

 

Jetzt ist der VW Golf R dran

Wir “R-fahren” den potentesten aller Gölfer. Wir treten unsere Hot-Lap mit ein bisschen mehr Reisegeschwindigkeit an. Beim Anbremsen packt der R ordentlich zu, bleibt sehr spurstabil, doch es bedarf einigem Nachdruck am Ruder, um durch die erste Kurve zu kommen. Gleich wieder ans Gas, über den Curb und durch die wechselnden Kurven. Besonders beim Ausgang in Kurve drei und fünf beeindruckt der R mit einem Fahrverhalten wie auf Schienen.

Rasche Momentenverteilung 

Die Momentenverteilung auf alle vier angetriebenen Räder erfolgt rasch und katapultiert den R mit maximaler Traktion auf die geraden Teilstücke der Strecke. Für Kurve sechs sucht man mit dem R gerne eine engere Linie, da man mit der unmittelbaren und traktionssicheren Beschleunigung schnell wieder Geschwindigkeit aufnehmen kann. Ebenfalls genau, aber mit mehr Kraftaufwand schrammt man lange am äusseren Rand von Kurve sieben, ehe man bereits am Scheitelpunkt einfach den Hammer aufs rechte Pedal fallen lassen kann. Man merkt (und sieht im Cockpit, falls man die Momentenverteilung aktiviert hat), wie das Torque-Vectoring-System dem Fahrer die ganze Arbeit abnimmt. 

Stabiles Verzögern

Von hohen Geschwindigkeiten verzögert es sich im R sehr stabil. Das Trailbraking in Kurve acht bedarf mehr Anstrengung und auch der R drückt sich zum Kurvenrand hin, sodass die Linie nicht sauber gehalten werden kann. Doch statt die Rückkehr zur Ideallinie durch mehr Lenkeinsatz – oder schlimmer – Geschwindigkeitsverlust zu erzwingen, bleiben wir der unsauberen Spur treu und gehen früh möglichst wieder hart ans Gas. Die hervorragende Traktion gleicht das wieder etwas aus. Und wir nehmen auch mit dem R die Kurve neun voll. Ebenso dreist rotzen wir über den Curb und staunen, wie stur der Ober-Golf dabei bleibt. Das Anbremsen zur Kurve zehn wird weitestgehend gerade durchgeführt und das kurze Stück in die Kurve hinein lassen wir rollen, bevor wir wieder hart am Gas sind. 

Der letzte Streckenabschnitt wird gänzlich frei von Bremseinsatz und nur mit punktuellen Gasstössen gefahren. Diese bringen den R nicht aus der Ruhe und man hält ihn sanft in den oberen Regionen von Drehmomentwelle und Kurvengeschwindigkeiten. Während der langen Kurve zwölf kann man wieder der Momentenverteilung im Cockpit zuschauen, ehe man ganz nah an der Wand über Start und Ziel fegt.

Fazit Golf R: 

Ein R kann mehr, was nicht nur auf die Mehrleistung zurückführt. Zwar hat er mehr Kraft am Volant und beim Bremsen nimmt er auch mehr Geschwindigkeit mit um den Ring. Absoluter Killer sind die Kurvenausgänge: Fuss ausstrecken und den Rest das Torque-Vectoring übernehmen lassen. Der Fahrer kann sich ausnahmslos auf das Fahren konzentrieren und wird ohne viel Übung schnell schnell sein. Wer sich ein Leben ohne Donuts nicht vorstellen kann, sollte sowieso zum R (hat einen Driftmodus) greifen.

 

VW Golf Clubsport vs Golf R – Das Ergebnis

Beide sind auf ihre eigene Art und Weise klasse. Der Clubsport eignet sich mehr als Driver’s Car, das einen Fahrer braucht, der halbwegs weiss, was zu tun ist. Natürlich kann man den Clubsport zum Untersteuern provozieren, aber man muss sich schon recht blöd anstellen. Der R hingegen verzeiht mehr Ungenauigkeiten, kann härter rangenommen werden und kommt auch mit schlampiger Linienführung schnell um den Kurs. Welcher der bessere ist, bleibt Einstellungssache. Für uns steht fest: Ein Fröntler kann auch Sport. Am Ende des Tests laden wir das ganze VW-Betreuerteam in den Golf R und gehen erst mal eine famose Berliner Currywurst essen. Denn bei aller Rennstrecken-Performance darf man nicht vergessen, dass es sich bei beiden Autos eigentlich um praktische Kompaktwagen handelt. 

Text: GAT 

Bilder: VW

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