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Nissan Ariya Nismo - Im Set komplett

Nissan setzt der Ariya-Baureihe die Krone auf. Als Nismo soll er an die sportlichen Vorzüge des Juke, Z und GT-R anknüpfen – und das voll unter Strom. Entsprechend aufgepimpt wartet der AC/DC-Allradler zum vernünftigen Preis mit 320 kW/435 PS und 600 Nm auf.

Veröffentlicht am 12.04.2025

«Emissionsfreier Nervenkitzel» titelt Nissan in seiner Pressemappe, in der es um den Ariya Nismo geht. Warum nicht? Schliesslich knüpft das Mittelklasse-SUV an eine Tradition an, an die wir Petrolheads uns nur zu gern zurückerinnern. Egal ob Juke, Z oder GT-R, alle drei waren vom Nismo-Virus befallen. Heisst Sportlichkeit bis zum Abwinken und ein Fahrverhalten ohne Kompromisse. Entsprechend gut verkauften sich die Sportskanonen der Nissan-Palette. Und dann? Dann wurde es plötzlich ruhig um die leistungsgeschwängerten Sportler. 

Fortan mussten Qashqai, Juke, X-Trail und Ariya für die Japaner die Kohlen aus dem Feuer holen. Okay, ein paar Leafs und Micras gingen neben dem Primastar und Town­star auch noch über den Tresen. Das war es dann aber auch schon. Und keines dieser Modelle bot die Voraussetzungen, in die Nismo-Fussstapfen von GT-R  & Co. zu treten. Oder vielleicht doch? 

Klingen geschärft

Denn was bei den Hyundai und Kia mit den N- und GT-Modellen funktioniert, sollte eigentlich auch bei den Japanern klappen. Erst recht, da man hierzulande mit einem Minus von rund 24 Prozent im vergangenen Jahr nicht gerade auf Rosen gebettet war. Es ist also Handlungsbedarf nötig, da ebenfalls der geplante 60-Milliarden-Dollar-Deal mit Honda geplatzt ist.

Also Klingen geschärft und endlich mal wieder einen Sportler aus der Nissan-Motorsport-Gilde auf die Räder gestellt. Den Part des Nismo-Helden soll jetzt der Ariya übernehmen. Der AC/DC-Stromer muss in die Stapfen von GT-R & Co. treten? Genau. Dafür hat man ihn, wie soll es anders sein, leistungsmässig und optisch ordentlich aufgepimpt. Ein Elektroduo schickt jeweils 160 kW und 300 Nm an die Vorder- beziehungsweise Hinterachse. Macht eine Systempower von 320 kW und 600 Nm. Das sind rund 100 kW mehr, als der 225-kW-Basis-Allradler leistet. Und damit genug, um von null auf Tempo 100 in fünf Sekunden zu sprinten. Diese Übung erledigte der 2,2 Tonnen schwere Stromer bei ersten Testfahrten vorzüglich. 

Doch das kostet Reichweite und Strom. Man kann zugucken, wie sich die 417 WLTP-Kilometer verflüchtigen. Es lässt sich zwar per aktivierter ePedal-Taste auf der Mittelkonsole und B-Modus der eine oder andere Kilometer zurückerobern, doch der ist dann ebenso schnell wieder verschwunden, wie man ihn eingesammelt hat. Schade auch, dass man die Rekuperationsstufen nicht über Schaltwippen am Lenkrad einstellen kann. Das würde dem Ganzen wenigstens einen Hauch von Sportlichkeit verleihen. Und auch das echte One-Pedal-Driving, wo der Ariya bis zum Stillstand verzögert, ist nicht möglich.

Duo unter Dauerstrom

Egal: Spätestens beim Zwischensprint von 80 auf 120 km/h, den der Nismo in guten 2,4 Sekunden meistert, ist die zurückgewonnene Energie sowieso futsch. Auch wenn man es gemächlicher angehen lässt, erscheint ein Mixwert von 25 bis 26 kWh/100 km in der Anzeige des digitalen Cockpits. 24,5 kWh/100 km sollen es gemäss WLTP sein. Die erreicht oder unterschreitet man nur bei ruhigem Galopp. Der permanente Allradantrieb und die grossen serienmässigen 20-Zöller spielen dem Fünftürer punkto Verbrauch ebenfalls nicht positiv in die Karten. Erst recht nicht, da beide E-Motoren permanenterregt im Einsatz sind und sich nicht einer unter Teillastbetrieb abschaltet.

So mussten wir tatsächlich nachladen. Mit maximal 130 kW kann der 87-kWh-Akku gefüllt werden. Bei unserem Ladeversuch – wir fuhren die Station mit 20 Prozent Reststrom an – startete der Vorgang mit 104 kW Ladeleistung, um dann kontinuierlich abzunehmen. Die werkseitigen 30 Minuten von 20 auf 80 Prozent sind unter diesen Bedingungen nicht zu stemmen. Das können andere besser. Erst recht die Koreaner mit ihrer 800-Volt-Technik.

Sportliche Zutaten

Keine Makel offenbarten sich beim Fahrverhalten. Die Modifizierungen an Dämpfern, Federn und Stabilisatoren sind deutlich spürbar. Trotz der grossen Räder rollt das SUV komfortabel ab. Etwas härter geht es im Nismo-Modus zu. Dann wechselt auch die ohnehin sehr präzis arbeitende leichtgängige Lenkung in den Angriffsmodus und glänzt mit direkterer Umsetzung der Lenkbefehle. Die Kurven umrundet der Japaner lange Zeit gutmütig und neutral. Erst am Kurvenausgang ist beim Herausbeschleunigen ein leichtes Untersteuern spürbar. Schön, dass dann nicht gleich die Assistenzsysteme Gewehr bei Fuss stehen, um mit beherzten Eingriffen die Fuhre einzubremsen. 

Die sind im Übrigen, wie alles andere auch, serienmässig. Heisst, dass die Nismo-Variante komplett ausgestattet ist. Tuningzutaten wie den doppelten Heckspoiler, die aus der Formel E übernommene Nebelschlussleuchte sowie die aerodynamisch verbesserte Frontpartie lassen ihn markanter auftreten. Im luftig gestalteten Interieur sind es die Sportsitze, die aber ruhig noch etwas mehr Seitenhalt bieten dürften, die das Nismo-Kit ergänzen. Die Bedienbarkeit und Übersichtlichkeit des Cockpits ist derweil über jeden Zweifel erhaben.

Platz für die Passagiere gibt es in Hülle und Fülle. Im Fond lässt es sich bei sehr viel Kopf- und Beinfreiheit bequem reisen. Der Kofferraum bietet 415 Liter Volumen, mit umgeklappten Fondlehnen sind es maximal 1280 Liter – im Konkurrenzvergleich eher bescheiden. Der Kia EV6 GT (480–1260 Liter) und der VW ID.5 GTX (549–1561 Liter) haben da mehr zu bieten. Sie sind aber auch teurer und obendrein nicht so komplett ausgestattet. 

 

 

Text: Jörg Petersen
Bilder: Nissan

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