Offroad Test

Ineos Grenadier - On The Rocks

Leiterrahmen, permanenter Allradantrieb, drei Sperren, Starrachsen: Der Ineos Grenadier ist der feuchte Traum eines jeden echten Offroad-Fans. Wir haben ihn im Gelände getestet.

Veröffentlicht am 30.07.2024

Was würden Sie tun, wenn Sie ein britischer Milliardär wären und Sie nichts mehr lieben als Ihren alten Defender, aber Land Rover Ihnen mitteilte, dass keine alten Defender mehr gebaut würden? Na klar, Sie würden sich einen neuen Land Rover Defender kaufen. 

Nicht so Jim Ratcliffe: Der britische Milliardär und Inhaber des Petro-Chemie-Giganten Ineos bedauerte das Aus so sehr, dass er erst den Original Defender in Eigenregie weiterbauen wollte. Das verweigerte ihm allerdings Jaguar Land Rover. Also sass Jim Ratcliffe mit seinem Chef-Ingenieur bei ein paar tröstenden Pints in dessen Lieblings-Pub “The Grenadier” zusammen und beschloss, seinen eigenen “Defender” zu bauen. Und zwar besser. Ohne Elektronik-Schnickschnack, nur pures Offroad-Vergnügen – so das Versprechen. Während unsereiner am Morgen nach einer Bieridee die Sache auf sich beruhen lässt, schritt Ratcliffe 2017 beherzt zur Tat. 

Freie Sicht auf freies Gelände 

Rausgekommen ist der Ineos Grenadier. Grenadier heisst der Geländewagen nicht etwa wegen seiner Offroad-Skills, was auf der Hand liegen würde, sondern nach dem Lieblings-Pub von Ratcliffe. Nur schon diese Tatsache alleine wäre ein Grund, den Grenadier zu kaufen. Aber es gibt noch vieles mehr, was das kleine Jungenherz höher schlagen lässt. Zum Beispiel das Cockpit. Einfach zu geil: Das sind erstmal keine Rundinstrumente vor dem Fahrer positioniert, sondern lediglich eine kleine Aktionsanzeige. Ansonsten: Freie Sicht auf freies Gelände. 

Helikopter Cockpit 

Wie bei den meisten neuen Autos gibt es auch im Grenadier im Grunde nur noch einen zentralen Bildschirm, der im Ineos allerdings nicht den ersten Preis für userfreundliches Design gewinnen wird. Dafür ist der Rest umso cooler: Als hätte man im Ineos Grenadier das Cockpit eines Kampfhelikopters implementiert. Über dem Kopf befinden sich manuelle Einstellungen für den Geländeeinsatz, wie zum Beispiel die Differenzialsperre, aber auch die Schalter für die Stromanschlüsse ausserhalb des Fahrzeugs. So wurden bereits 10- und 25-Amper-Kabel für das einfache Anbringen von Lichtquellen verlegt. 

So viele Schalter und Knöpfe! Vor, neben und über einem: Jeder einzelne will man drücken, nur um zu sehen, ob einer nicht doch einen Schleudersitz auslöst oder ein anderes 007 Gadgets ist. Zum Beispiel der rote Knopf am Lenkrad mit dem Velo-Symbol drauf. Was löst er aus, wenn man ihn drückt? Ist er da, um dreisten Velofahrern einen Tritt in den Hintern zu geben? Keine Sorge, es ist nur eine Velofahrerinnen Hupe. Die eigentliche Fahrzeughupe ist so laut, dass sie eine Elefantenherde vertreiben könnte, während die kleine rote Velohupe dezent trötet, fast schon höflich, aber trotzdem streng. Soviel Gentleman muss sein, auch wenn alles am und im Ineos Grenadier nach Wildnis und Abenteuer ruft. Für solche gibt es viele coole Ideen wie zum Beispiel die speziellen Befestigungsschienen an den Türen, die zum Aufhängen von Hängematten, dem Befestigen von Zelten oder dem Einhaken von Campingtischen dienen.  

Vertraute Exotik

Den Ineos Grenadier muss man erst mal auf sich wirken lassen. So exotisch er aussieht, so erinnert doch vieles an den alten Defender: Der kastenförmige Aufbau, das abgerundete Dach, die Front, das Heck, die Leiter zum Dach sowie das aussen montierte Reserverad an der geteilten Hecktür. Aber beim Ineos Grenadier handelt es sich in keiner Weise um einen Defender-Restomod, sondern um ein komplett neu konzipiertes Geländefahrzeug. Vielmehr ist der Ineos ein Cocktail aus den besten Zutaten, den man am besten “on the rocks” geniesst. Unter dem britischen Design schlägt ein bayrisches Herz; ein 3-Liter-Motor von BMW, der als Twin-Turbo Diesel (183 kW/249 PS) und auch als Turbo-Benziner (210 kW/286 PS) erhältlich ist, während die Offroad-Technologie von Magna-Steyr aus Graz stammt und die Starrachsen von der Gruppo Carraro aus Italien stammen. Das ZF-Getriebe stammt aus Friedrichshafen und gebaut wird der Ineos Grenadier im französischen Hambach – dort, wo einst der Smart Fortwo gefertigt wurde. 

Parkhaus-Schreck

Grösser könnte der Unterschied zwischen dem Smart und dem Ineos Grenadier nicht sein. Die Aussenmasse von 4.89 Meter Länge, 1.93 Breite und 2.03 Meter Höhe machen den Grenadier zum City Parkhaus-Schreck. Hinzu kommt ein Wendekreis 13,5 Meter, ziemlich genau doppelt so viel wie derjenige eines Smart Fortwo.  

Das passt schon: Schliesslich geht man ja auch nicht mit Bergschuhen und Campingausrüstung in der Stadt spazieren. Ebenso wenig zuhause fühlt sich der Ineos Grenadier auf der Autobahn, wo man in guter alter Defender-Manier von jedem Windstoss durchgerüttelt wird. Aber im Vergleich dazu ist es im Ineos Grenadier angenehm ruhig. 

Auf der Landstrasse ist der Ineos Grenadier überraschend laufruhig unterwegs, auch wenn die Lenkung frivoles Spiel geniesst und präzise Fahrbefehle eher als Empfehlung aufnimmt. Wir empfehlen zudem, für die Kurven ein bisschen mehr Zeit und Raum einzuplanen als mit einem normalen SUV. Geradeaus beschleunigt der Grenadier zügig in 8,6 Sekunden von 0 auf 100 km/h. 

Platz und Innenraum Angebot

Der erste Gipfel, der im Ineos Grenadier erklommen werden muss, ist die Fahrerkabine. Der Einstieg ist sehr hoch – zum Glück hat das Testmodell Schweller, was es einfacher macht.  Sitzt man erst mal in den wuchtigen Recaro-Ledersesseln, ist das Platzangebot recht grosszügig. In der fünfsitzigen Version finden drei Personen auf der Rückbank viel Kopf-, Knie- und Fussraum vor. Die hintere Bank ist im Verhältnis 30/70 geteilt.

Der Laderaum verfügt über 12 Zurrpunkte und kann mit Wasser abgespült werden, ohne dass die Rücksitze nass werden. Das Ladevolumen beträgt bis zu 2’000 Liter. Notfalls passt also auch eine Europalette rein. Der Grenadier hat eine Dachlast von 450 Kilo und kann 350 Kilo auf der Anhängerkupplung laden, hat 3,5 Tonnen Anhängelast und eine Winde mit einer Zuglast von 5,5 Tonnen. 

Robust und belastbar

Die wichtigsten Elemente können im Grenadier mit Arbeitshandschuhen bedient werden. Ausser vielleicht das Zündschloss. Den Zündschlüssel einstecken ist ein bisschen wie den Fernseher hinter der Couch einstöpseln – ein ziemliches Gezirkel. 

Insgesamt wirkt der Ineos robust verarbeitet und scheint so belastbar, dass ein Nashorn dagegen rennen könnte, ohne dass man seinen Fünf-Uhr-Tee verschüttet. Bestimmt mit ein Grund, warum Ineos Grenadiere auch auf Safaris unterwegs sein werden. Zusammen mit einer Karosseriefirma in Botswana werden Ineos Grenadiere zu Safari-Fahrzeugen umgebaut, die auf allen Seiten offen sind, um Wildtiere zu beobachten. 

Zum Härtetest in den TCS Offroad-Park, Hinwil 

Keine Frage: Beim Ineos Grenadier fängt der Spass dort an, wo die Strasse aufhört.  Um einen Eindruck davon zu bekommen, was der Ineos Grenadier alles könnte, wenn er dürfte, haben wir ihn im Offroad-Gelände des TCS Training & Freizeitzentrum Betzholz bei Hinwil (Link) von der Leine gelassen. 

Mit an Bord war auch TCS-Fahrinstruktor Peter “Speedy” Stadelmann. Es war nicht das erste Mal, dass der Offroad-Experte in einem Ineos Grenadier sass: “Ich konnte bereits vor einigen Jahren einen ersten Prototypen auf unserer Offroad-Piste testen. Schon damals war ich vom Konzept überzeugt.” 

Wir gegen die Schwerkraft 

Das Offroad-Gelände des TCS Training & Freizeitzentrum Betzholz bei Hinwil ist das grösste seiner Art in der Schweiz und umfasst insgesamt 7’000 Quadratmete. Die Offroad-Piste hat es ganz schön in sich: Es gibt mehrere steile Berg- und Gefällestrecken von bis zu fast 100 Prozent, extreme Schrägfahrten (35 Prozent), eine Wasserdurchfahrt, eine Rundholzbrücke sowie Schotter-, Geröll- und Sand-Passagen mit extremen Verschränkungen. Oder mit anderen Worten: Viel Spass mit dem Ineos Grenadier.

Drei Sperren, eine Mission

Einfach die vornehme BMW-Automatikschaltung auf “N” stellen und das ordinäre Untersetzungsgetriebe manuell auf “Low” schalten. Schon kann’s losgehen. Ganz getreu dem Offroad-Grundsatz: So langsam wie möglich, so schnell wie nötig, navigiert Speedy den Grenadier über die Hindernisse. “Dank der drei Sperren, der beiden Starrachsen und dem Leiterrahmen, der starke Verwindungen im Gelände aushält, ist der Ineos Grenadier einer der letzten Offroader seiner Art. Ich bin ein grosser Fan der mechanischen Offroad-Technologie”, zieht Peter “Speedy” Stadelmann sein Fazit. 

Der Ineos Grenadier verspricht nicht zu viel. Er meistert souverän jedes Hindernis im Offroad-Park, als wäre es ein Sonntagsspaziergang. Obwohl mechanische Offroad-Technologie zum Einsatz kommt, kann der Grenadier auch von Offroad-Einsteigern im Gelände bewegt werden – natürlich erst nach einem Training auf dem Offroad-Gelände in Hinwil unter Einweisung eines Profis wie Peter “Speedy” Stadelmann vom TCS Training & Freizeitzentrum Betzholz. 

Fazit: 

Mit dem Ineos Grenadier fängt der Spass dort an, wo die Strasse aufhört. Alles an und im Geländewagen ruft nach Abenteuer – egal wohin, der Grenadier bringt dich dorthin. 

Technische Daten 

  • Ineos Grenadier, Trialmaster Edition
  • Motor: R6-Zylinder Turbo-Benziner, 2998 cm3 
  • Leistung: 210 kW/286 PS
  • Max. Drehmoment: 450 Nm bei 1750–4000 U/min
  • Getriebe: 8-Gang-Automatikgetriebe
  • Antrieb: Allradantrieb 
  • 0-100 km/h: 8,6 Sekunden
  • Höchstgeschwindigkeit: 160 km/h
  • Leergewicht: 2946 kg 
  • Länge: 4’896 mm
  • Breite: 1’930 mm
  • Höhe: 2’036 mm
  • Radstand: 2’922 mm
  • Kofferraumvolumen: min. 1’255 Liter – max. 2’088 Liter
  • Verbrauch Testfahrzeug: 14,6 Liter
  • CO2-Emissionen: 336g/km
  • Energieeffizienz: G
  • Basispreis: 89’900 Franken
  • Preis Testfahrzeug: 93’155 Franken
  • Rampenwinkel: 28,2°
  • Böschungswinkel (hinten): 36,1°
  • Bodenfreiheit: 264 mm
  • Wattiefe: 800 mm
  • Neigungswinkel: 45°

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Text: Jürg Zentner 

Bilder: Chris Melo 

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