Robin Road: Rechtsberatung

Fälschlicherweise geblitzt - Und nun?

Kaspar drohte wegen einer vermeintlichen Tempoüberschreitung nebst einer happigen Busse ein längerer Ausweisentzug. Obwohl er sogar zu langsam fuhr, wie sich später herausstellen sollte.

Veröffentlicht am 04.11.2023

Kaspar kennt die A1 wie seine Westentasche. Jede Kurve, jede Ausfahrt und, wie er dachte, auch jede Geschwindigkeitsbegrenzung. Auch die mit wechselnder Signalisation der erlaubten Höchstgeschwindigkeit. Und trotzdem soll er zu schnell gefahren sein, und wie: Netto 97 km/h bei erlaubten 60 km/h, teilte ihm die Polizeipatrouille mit. Weshalb um Himmels willen war 60 km/h signalisiert, wenn weit und breit keine Baustelle, kein Stau, kein Unfall und auch keine wetterbedingten ausserordentlichen Umstände vorlagen?

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Auf dem Nachfahrvideo allerdings waren die Tafel mit dem Tempolimit von 60 km/h sowie die gefahrene Geschwindigkeit von 97 km/h zu sehen. Neben einer saftigen Busse hätte dies einen Ausweisentzug von mindestens drei Monaten zur Folge. Diese Sache war Kaspar nicht geheuer, weshalb er sich an Robin Road wendete.

Der Videobeweis trügte

Die Polizei vertraute dem Videobeweis, auf den sich zunächst auch die Staatsanwaltschaft stützen wollte. Auf Antrag von Robin Road führte die Staatsanwaltschaft zwar weitere Abklärungen bei der Kantonspolizei über die Gründe der unüblich tiefen Signalisation durch. Diese verwies auf starke Regenschauer und schlechte Sicht, machte aber auch klar, dass sie die Gründe für die 60 km/h-Signalisation nicht kenne. Dafür müsste bei der zuständigen Stelle nachgefragt werden. Der Staatsanwaltschaft genügte diese Kurzeinschätzung der Polizei und kündigte eine Busse mit Geldstrafe an. Daraufhin konfrontierte Robin Road die Staatsanwaltschaft mit einigen Fragezeichen.

Aus der Wetterhistorie ging kein Starkregen hervor. Ebenso wenig sah man auf dem Video starken Regen. Weiter war auf dem Video ersichtlich, dass die anderen Autos ebenfalls mit deutlich mehr als den signalisierten 60 km/h unterwegs waren. Und wenn es Gründe für eine Signalisation «Tempo 60» gegeben hätte, dann hätten diese auch für die Gegenfahrbahn gelten müssen (gleiches Wetter, gleiche Streckenführung, vergleichbares Verkehrsaufkommen). Nun kamen auch der Staatsanwaltschaft Zweifel und sie wandte sich an die zuständige technische Stelle und verlangte die Log-Daten der Geschwindigkeitssignalisation.

Genau im falschen Moment

Das sogenannte Schaltprotokoll zur Signalisation sorgte dann für klare Sicht: Just in dem Moment, als Kaspar unter der Geschwindigkeitstafel durchfuhr, wurde die Signalisation von 80 km/h auf 100 km/h umgestellt. Dieser sogenannte Betriebszustandswechsel geschieht von der 80er-Tafel über die 60er- zur 100er-Tafel. Dabei handelte es sich um eine analoge und nicht um eine elektronische Geschwindigkeitstafel. Somit fuhr Kaspar bei «falsch» signalisierten 60 km/h unter der Tafel durch. Die 60er-Tafel erschien aber nur, weil von 80 km/h auf 100 km/h umgeschaltet wurde. Kaspar fuhr somit nicht etwa zu schnell, sondern sogar langsamer, als die genau ab dann erlaubten 100 km/h. Das Resultat: Keine Busse, keine Geldstrafe und vor allem wurde ihm das Billett nicht entzogen.

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Hatte Kaspar Glück im Unglück? Jein. Abgesehen von den oben beschriebenen Fragezeichen hätte den Behörden bei genauem Betrachten des Videos auffallen müssen, dass die Beleuchtung der Signalisationstafel ausging, was auf das Umschalten der Geschwindigkeitstafel zurückzuführen war. Das Verfahren gegen Kaspar wurde schliesslich eingestellt und ein Teil der Anwaltskosten vom Staat übernommen.

Rechtsberatung von Robin Road

Dr. Rainer Riek alias Robin Road ist Rechtsanwalt und Notar bei www.zp-law.ch und unter anderem spezialisiert auf Strassenverkehrsrecht. Auf www.driving.legal schreibt er seinen Autoblog. Die auto-illustrierte offeriert allen Abonnenten eine kostenlose Rechtsberatung. Schreiben Sie uns an [email protected].

Text: Rainer Riek alias Robin Road
Bilder: ai-Online-Archiv

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