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Es geht ums Laden. Nicht aufladen, wie ein elektrisches Auto. Oder verladen, von sperrigen Gütern. Oder aufladen im Sinne der Nutzung von Abgasenergie zur erhöhten Generierung von Vortrieb, wobei ja, eigentlich schon auch. Zur Auflösung dieser kruden Wortklauberei, es ging ums Einladen, oder eben, eingeladen zu werden. Zum vermutlich besten Roadtrip der Welt, einer, welcher über zwei Tage hinweg durch die östlichen Alpenstrassen der Schweiz gehen sollte. Für mich quasi ein Heimspiel, hatte ich doch nur fünf Minuten Fahrzeit zum ersten Treffpunkt und war über die Tage hinweg niemals mehr als dreissig Kilometer Luftlinie von zu Hause weg. Hallo Komfortzone.
Jeder in den Alpen wohnhafte Petrolhead, welcher entweder ein fahraktives Auto oder ein ebenso unterhaltsames Motorrad zu Hause hat, kennt das. Die Sonntagstour über heimische Serpentinen und mit ein paar Höhenmetern Unterschied, rezeptfreies Antidepressiva in der Flatrate. Dass man bei solch einem Tour aber zwischen acht 911ern aus verschiedenen Baureihen durchwechseln kann, ist eher unüblich. Und dass es sich dabei um einen kleinen Querschnitt jener Legenden der letzten Jahre handelt, das setzt der Geburtstagstorte des 911 eine standesgemässe Dekoration auf. Mehr über Torten später.
Erste Etappe, ich setze mich in Bad Ragaz etwas hastig in den 997 Speedster für den Weg nach Davos. Die zwei Murmeln in meinem Kopf haben anscheinend Sabbatical, die Sonne brennt im Tal und gleichzeitig wird es in der Höhe auch etwas kühler, ich verschwende aber keinen Gedanken daran, fahren! Sonnencreme habe ich natürlich in weiser Voraussicht eingepackt, aber weil die in meinem Rucksack im Frunk vorne drin ist, könnte sie gerade so gut in China in einem Postverteilerzentrum liegen. Ergo, ich kultiviere mir einen dezenten Sonnenbrand, während ich die Heizung in diesem einen jener 356 jemals gebauten Speedster immer höher drehe. Und wenn wir’s gerade von drehen haben, die Saugermaschine möchte jubeln. Auch deshalb, weil Neel Jani und Jörg Bergmeister im G-Modell vorausfahren und nur wenig Ambitionen zum genütlichen Cruisen haben. In den Tunneln wird's laut.
Und ich lerne nichts dazu. Der Sonnenschutz aus der Pulle geniesst immer noch das schattige Plätzchen auf der gedeckten Vorderachse, zusammen mit meiner Jacke. Während ich einerseits ein wenig fröstle, aber gleichzeitig meinen Sonnenbrand intensiviere. Dennoch, der luftgekühlte 3.2er macht gute Laune, die lange Übersetzung und das rudimentär präzise Getriebe verlangen ein wenig sanfte Gewalt und Geduld, gezielte Gasstösse beim Runterschalten und etwas mehr Lenkarbeit. Aber er vermittelt auf seine eigene Art und Weise, wo Porsche eigentlich herkommt. Aus einer Zeit, wo man bei Porsche keine Ahnung von Kochen hatte. Weil, alles luftgekühlt. In der Lenzerheide angekommen, geniessen wir erstmal ein wenig die Ruhe, die bergige Landschaft und den fachidiotischen Austausch mit Jörg Bergmeister und Neel Jani.
Von der Lenzerheide runter, ab zu St. Luzisteig bei Maienfeld GR. Btw; einer meiner bevorzugten Fotospots. Der handgeschaltete Classic Sport gibt sich handzahm. Auch im Baustellenstau hinunter nach Chur ist das Auto so anschmiegsam wie ein Businesscoach auf LinkedIn bei der Kaltaquise. Das Auto fährt sich absolut entspannt und zeigt nur dann politisch leicht unkorrekte Züge, wenn man ihn im Sportplusmodus bewegt. Dann kann es sein dass die aufgeladene Maschine dann doch mal ins Husten kommt. Das erste Mal Vollgas geht erst auf der Autobahnauffahrt von Chur in Richtung Maienfeld. Und ich muss feststellen, dass dieser 911er die sinnvollen Grenzen einer Handschaltung mehr als ausreizt, zweiter Gang, Volllast, da lohnt es sich gar nicht die Hand wieder vom Schaltknüppel zu heben, auf dem halben Weg zum Lenkrad ist der dritte Gang fällig. Und würde man den auch noch ausdrehen, wäre dann gleich auch der Führerschein futsch. Aber meine Güte, macht dieses Gerät Spass. Und sieht dabei auch noch bombastisch gut aus. Wah!
Ich kenne den Dakar ja schon ein wenig. Nur das letzte Mal pegelten die klimatischen Parameter anders, statt 27°C waren es damals ein paar Minusgrade und statt heissem Asphalt waren es Schnee und Eis. Aber, so gut wie der Dakar damals in winterlichen Verhältnissen funktioniert hat, noch besser schnalzt das Auto auf der Strecke von Maienfeld GR nach Wildhaus SG. Ich bin irritiert. Diese grobstolligen Geländereifen haben tatsächlich einige Reserven und sowieso, der aufgeladene Boxer im Heck schiebt die Fuhre mehr als angemessen den Berg hoch. Als ich am Etappenende auf einen Schotterparkplatz einbiege kribbelt es unter meinem rechten Fuss, am liebsten würde ich den U-Turn zum Parkieren in einem Zug machen. Aber nein, ich bin Gast auf dieser Party. In Summe ist der Dakar gerade zu meinem Liebling unter den aktuellen 911ern gereift. Schon wieder. Bis dahin...
Es geht weiter ohne Helfersyndrom. Beim ersten jemals gebauten GT3 hilft nämlich nix, ausser dem gesunden Menschenverstand und einer einigermassen wachen Sensorik. Den Rest erledigt der hochdrehende Boxer im Heck. Und das manuelle Sechsganggetriebe. Lenkung? Naja, schon hart, wenn man aus einem modernen 911er in den „alten“ GT3 steigt. Aber, ich gewöhne mich schnell daran, dass man in den engen Spitzkehren hoch zur Schwägalp vielleicht doch nochmal umgreifen muss. Dazwischen bleibt ein perfekt(!) dosierbares Triebwerk, eine standfeste Bremse, der hier omnipräsente zweite Gang und eine minimalistische Ausstattung ohne Ablenkungspotential. Und ich bin da gnadenlos ehrlich, so hässlich wie ich diesen Spiegeleierporsche finde, so fordernd, freudespendend und für diese Art von Strassen schnell empfinde ich den 996er GT3. Ich möchte eigentlich einen haben, schon nach weniger als zehn Kilometern. In der Mittagspause schaue ich auf Autoscout, wo ich einen kriege, ohne gleich eine Niere und meine Erstgeborene zu verpfänden. Das wird aber nix, ich hänge einfach zu sehr an meiner Tochter.
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Hm. Abgesehen von dem immens hübsch gestalteten Innenraum, etwas weniger Leistung und dem fehlenden Entenbürzel am Heck scheint dies dasselbe Auto zu sein, wie der Sport Classic. 7-Gang Handschalter, aufgeladener Sechszylinder im Heck, etwas weicher abgestimmt. Es soll von der Schwägalp aus zur Bäckerei Gschwend nach St. Gallen gehen. Wie, da können die neuen 911er, zumindest theroretisch, zwar kochen, aber jetzt soll hier auch noch etwas gebacken werden? Die unausgesprochene Überraschung bleibt auf dem Weg in die Klosterstadt im Ungewissen. Weniger jedoch, wie gut dieser 911T auf diesen Strassen funktioniert. Das Manko an Leistung zum Sport Classic mit seinen überschwänglichen 550 PS tut dem T sehr gut, damit wird dieser 911er nämlich zu einem freundlichen, sehr handlichen und pflegeleichten Kumpel mit genügend Schnaps im Keller. Dass das Geräusch der Abgasaufladung hörbar ist, empfinde ich als grosses Plus und das harmoniert auch wunderbar mit den von Schweizerflaggen gesäumten Strassen. Und er ist grün.
Ich mag ja kreative Aufgaben. Aber Torten verzieren? Nicht so mein Ding, deswegen bin ich zu Hause auch primär fürs Kochen zuständig und überlasse die Nachspeisen meiner besseren Hälfte. Das ist auch besser so, wenn ich einen Kuchen backe hat der entweder die Konsistenz eines Backsteins oder von Fensterkitt und sieht aus wie verprügelte Knete. Dennoch, ich stelle mich der Herausforderung, eine Verzierung für den Geburtstagskuchen vom 911 zu kreieren. Ich muss nur mit einem Spritzbeutel und flüssiger Schokolade „Jahre“ auf einen Zuckerkringel drapieren. Das finale Gekrakel erinnert mich an meine Schreibversuche in der ersten Klasse. Immherin, süss. Zum Glück, Neel Jani kann das wesentlich besser und so landet dann auch seine Verzierung auf der Torte, welche im Garten der Bäckerei innerhalb von fünfzehn Minuten auf wundersame Weise von der Tortenplatte verschwindet.
Es gibt wirklich schöneres, als sich mit einem 2023er GT3 RS durch die Stadt St. Gallen von Ampel zu Ampel zu hangeln. Frustrierend, da wird dir ein perfekt geschliffenes Steakmesser mit Carbongriff gereicht, aber auf dem Teller liegt nur eine schrumpelige Olmabratwurst. Aber es wird besser, auf dem Weg nach Appenzell tun sich die Strassen auf und ich geniesse die Geschwindigkeitsbeschränkung von 80 km/h so richtig. Auch in den wirklich engen Kehren, dort ist der GT3 bei Richtgeschwindigkeit so beeindruckt wie ein Kind von 47 Jahren vor dem Weihnachtsbaum, ich bin dafür umso beeindruckter vom RS. Das Auto hat ein dermassen hohes Potential um in verkehrsjuristische Schwierigkeiten zu geraten, dass ich mich auf der emotionalen Folterbank wäge. OK, ich bin derjenige, welcher das Gaspedal immer wieder mal lupft und gegen jene Beschleunigung arbeitet, welche mir eigentlich die Tränen der Ergriffenheit waagrecht zum Gesicht abfliessen lassen würden. Blöd das alles, aber wir sind nicht auf der Rennstrecke. Und schade auch, aber das Fahren dieses Autos auf öffentlichen Schweizer Strassen ist purer Masochismus. Aua.
Ohje. Es kann ja nicht immer alles nur mit Superlativen gespickt sein. Auch bei Porsche nicht. Auf der letzten Etappe von Appenzell zurück nach Bad Ragaz wird mir, aus Mangel an Beweisen zur Fahrhistorie, das letzte Auto in der illustren Runde zugeteilt. Und irgendwie bin ich der ganzen Sache noch positiv eingestellt, grosses Glasschiebedach, eine entspannte Automatik, bequeme Sitze. Am Schluss war mir die Automatik dann aber doch etwas zu sehr entspannt, naturgemäss benötigt die Saugermaschine im Heck etwas mehr Drehzahlen zur Leistungsentfaltung und da geht einfach irgendwie nix, wenn die Automatik im Keller grad die Wäsche macht und nix hört, weil der Tumbler heisse Luft produziert. Dennoch, ich war froh, konnte ich das Glasdach bei spontan einsetzendem Regen per Knopfdruck zumachen. Den 993 habe ich dann gerne in Bad Ragaz wieder hingestellt, war irgendwie nicht so mein Fall. Aber, die emotionale Messlatte lag auch richtig hoch, sogar die Torte hat mich mehr gekickt wie der 993 Targa. Und die hat richtig geballert.
Der krönende Abschluss war dann die Fahrt von Bad Ragaz nach Mollis zum sehnlichst erwarteten Porsche Festival in Mollis, der letzte Höhepunkt unseres Roadtrips. Von Bad Ragaz über die alte Landstrasse den Walensee hinunter und über den Kerenzerberg gehört zu einer meiner Lieblingsstrecken wenn es darum geht, Autos auch ein wenig zu spüren, fernab des Ampelhüpfens. Der 911T hatte dafür die perfekten Voraussetzungen und es war mir eine Ehre, damit über die grosse Bühne aufs Gelände zu fahren und dann am Schluss, doch etwas wehmütig, das Auto auszumachen. Aber, das Festival hat dann doch noch eine spürbare Marke gesetzt, die Stimmung, die bunte Mischung an Autos und der fast schon körperlich spürbare Kultfaktor haben einen mehr als würdigen Abschluss für den Kurztrip durch die Geschichte des 911 markiert. Ich fühlte mich, nicht nur geografisch, sondern auch petrolistisch, zu Hause.
Moment, da war ja noch was. Eines dieser hier aufgeführten Autos wird mich ja über die nächsten Wochen hinweg intensiv begleiten. Bis in den allerhöchsten Norden und zurück. Ich berichte dann. Achja, es gibt Lachs statt Torte, ein 911er muss dann doch noch kochen.
Text: Markus Kunz
Bilder: Markus Kunz, Porsche Schweiz